Bisweilen geht man davon aus, dass sich die Lebensumstände beim Eintritt in den Ruhestand gravierend verändern. Man bezeichnet diesen daher auch als kritisches Lebensereignis. Die Forschungsergebnisse hierzu sind jedoch sehr heterogen: Einige Studien finden einen Anstieg der Lebenszufriedenheit, andere eine Abnahme und wiederum andere Studien finden keine diesbezügliche Veränderung.
ISS-Forscher Martin Wetzel und seine Kollegen Oliver Huxhold und Clemens Tesch-Römer vom Deutschen Zentrum für Altersfragen (DZA) haben nun die Daten einer der größten deutschlandweiten Wiederholungsbefragungen, des Sozio-Ökonomischen Panels (SOEP), analysiert. Sie konnte für über 3.300 Frauen und Männer, die in den Ruhestand eingetreten sind, Veränderungen von Lebenszufriedenheiten über sechs Jahre vor dem Ruhestand bis zu acht Jahre nach dem Renteneintritt beobachten.
Die Autoren konnten in ihrer Studie zeigen, dass Personen, die vor dem Übergang in den Ruhestand arbeitslos waren, nach dem Renteneintritt deutlich zufriedener mit ihrem Leben sind, als zuvor. Im Vergleich: Bei Menschen, die aus einer Erwerbstätigkeit direkt in den Ruhestand wechseln, erhöht sich die Lebenszufriedenheit nach einem Jahr durchschnittlich nur leicht. Die Alternsforscher interpretieren diese Ergebnisse als Hinweis darauf, dass der Ruhestand ein gesellschaftlich anerkanntes und erwartbares Lebensereignis ist. Für Menschen, die vor dem Renteneintritt erwerbstätig waren, stellt der Ruhestand keine Änderung in ihrem sozialen Status dar. Zuvor Erwerbslose gewinnen aber durch den Ruhestand, denn das Stigma, in der ‚Lebensphase der Arbeit‘ erwerbslos zu sein, verschwindet.
In der Entwicklung bis zu acht Jahre nach dem Übergang zeigt sich eine weitere Veränderung: Höhergebildete können ihre Lebenszufriedenheit besser aufrechterhalten, als Personen mit niedrigerem Bildungsniveau. Die Wissenschaftler erklären dies damit, dass Menschen mit höherer Bildung wahrscheinlich besser darin sind, neue langfristig zufriedenstellende Alltagsstrukturen aufzubauen. Sie haben im Laufe ihres Lebens Kompetenzen erworben, die ihnen beim Renteneintritt von Vorteil sein können. Daher meistern sie den Ruhestandsübergang besser. Die Folge ist, dass die Unterschiede in der Lebenszufriedenheit innerhalb der Gruppe der Ruheständlerinnen und Ruheständler zunehmen. Der Renteneintritt verringert also kurzfristig soziale Unterschiede, langfristig vergrößert er sie jedoch wieder.