Seit Jahrzehnten wird allgemein angenommen, dass Frauen nach einer Scheidung mit langanhaltenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Eine aktuelle Studie von ISS-Forscher Thomas Leopold und Matthijs Kalmijn, die Daten aus dem Sozio-oekonomischen Panel zu mehr als 3,000 Scheidungen und Trennungen analysiert, stellt diese Annahme der „chronischen“ finanziellen Folgen einer Scheidung jedoch infrage.
Stattdessen zeigt die Studie, dass viele Frauen zwar unmittelbar nach einer Scheidung erhebliche finanzielle Einbußen hinnehmen müssen, ein bedeutender Anteil sich jedoch im Laufe der Zeit wieder erholt. Innerhalb der ersten drei Jahre nach der Scheidung erreichte die Hälfte der Frauen wieder ihr früheres Haushaltseinkommen oder übertraf es sogar. Dabei halfen sowohl der „traditionelle“ Weg – die Gründung einer neuen Partnerschaft – als auch der „moderne“ Weg – die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung und der beruflichen Qualifikationen.
Die Studie zeigt auch, dass Kinder die wirtschaftliche Erholung geschiedener Frauen nicht so stark beeinträchtigen, wie bisher angenommen. Was stattdessen auffällt, ist die Anpassungsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit vieler Frauen, die ihren Weg zurück zu finanzieller Stabilität erfolgreich meistern.
Diese Ergebnisse zeigen ein differenzierteres Bild der wirtschaftlichen Auswirkungen einer Scheidung. Frauen befinden sich nicht mehr primär in einer Opferrolle, sondern sind aktive Akteure, die sich aus eigener Kraft von finanziellen Verlusten erholen. Trotz dieses Perspektivwechsels identifiziert die Studie auch eine Risikogruppe, die etwa ein Zehntel der geschiedenen Frauen umfasst. Diese Frauen – überwiegend geringer gebildet, vor der Scheidung nicht berufstätig, mit Kindern im Haushalt und nach der Scheidung ohne neuen Partner – sind eine wichtige Zielgruppe für unterstützende sozialpolitische Maßnahmen, die wirtschaftliche Verluste und Armutsrisiken zumindest teilweise kompensieren.
Obwohl Scheidung und Trennung zweifellos eine Herausforderung darstellen, sind die finanziellen Folgen für die meisten Frauen letztlich weniger gravierend als bislang angenommen.