Ältere Menschen erhalten häufig Unterstützung von ihren erwachsenen Kindern, die von gelegentlicher Hilfe im Haushalt bis hin zu intensiven Pflegetätigkeiten reicht. Geografische Nähe ist eine wichtige Voraussetzung für die Verfügbarkeit solcher Unterstützung. Die geografische Nähe zwischen älteren Eltern und ihren erwachsenen Kindern kann sich als Reaktion auf die sich verschlechternde (mentale) Gesundheit älterer Menschen ändern, wobei Familienmitglieder zusammenziehen oder näher zueinander ziehen, um Unterstützung zu sichern. Gleichzeitig kann die (mentale) Gesundheit älterer Menschen auf Veränderungen in der geografischen Nähe zwischen Eltern und ihren Kindern reagieren. Bisherige Studien haben die wechselseitige Beziehung zwischen geografischer Nähe und mentaler Gesundheit jedoch nur einseitig betrachtet, weshalb die Ergebnisse von Verzerrungen betroffen sein könnten.
Eine aktuelle Studie der ISS-Forscher:innen Lisa Jessee und Karsten Hank mit Valeria Bordone von der Universität Wien untersucht diese bidirektionalen Mechanismen. Sie nutzen longitudinale Daten der amerikanischen Health and Retirement Study und untersuchen, ob sich Veränderungen in der geografischen Nähe zwischen Kindern und ihren älteren Eltern auf die mentale Gesundheit der Eltern auswirken und/oder ob Veränderungen in der mentalen Gesundheit der Eltern Einfluss auf Veränderungen in der geografischen Nähe haben.
Die Studie zeigt, dass vor allem Veränderungen in der geografischen Nähe sich auf die mentale Gesundheit der Eltern auswirken und nicht umgekehrt. Insbesondere finden die Forscher:innen, dass ein Zusammenziehen mit Kindern negative Auswirkungen auf die mentale Gesundheit der Eltern haben kann. Bei einer genaueren Betrachtung von Geschlechter- und Race-/Ethnicity-Unterschieden zeigt sich, dass insbesondere Männer und ‚weiße‘ Amerikaner:innen unter dem Zusammenziehen mit ihren Kindern leiden können.
Die Ergebnisse bestätigen weitgehend frühere Untersuchungen und zeigen ein differenzierteres Bild darüber, wer von einem Zusammenziehen tatsächlich betroffen ist. Sie verdeutlichen, dass mehr – oder in diesem Fall näher – nicht immer besser ist.