Bislang fanden Studien überwiegend Hinweise auf einen universellen und linearen Zusammenhang zwischen Religiosität und Lebenszufriedenheit und folgerten daraus: Stark religiöse Menschen sind mit ihrem Leben zufriedener als schwach religiöse und schwach religiöse Menschen sind mit ihrem Leben zufriedener als nicht-religiöse. Diese Forschung wurde allerdings hauptsächlich mit Stichproben aus den USA ohne Berücksichtigung des Einflusses von Ländereigenschaften durchgeführt, sowie mit nur wenigen nicht-religiösen Personen und ohne eine Unterscheidung zwischen (nicht-)religiösen Untergruppen.
Die ISS-Forscher*innen Katharina Pöhls, Thomas Schlösser und Detlef Fetchenhauer untersuchten nun in einer neuen Studie den Zusammenhang zwischen (Nicht-)Religiosität und Lebenszufriedenheit erneut in einem Kulturvergleich von 24 Ländern und bezogen den Einfluss von Unterschieden zwischen den Ländern und zwischen verschiedenen (nicht-)religiösen Gruppen ein. Anhand von repräsentativen Daten der World Values Survey verglichen sie die Lebenszufriedenheit von Menschen, die sich selbst als entweder stark religiös, schwach religiös, nicht religiös oder spezifisch atheistisch identifizierten und in Ländern mit unterschiedlich hoher durchschnittlicher Religiosität und durchschnittlichem Lebensstandard lebten.
Wenn der Einfluss der durchschnittlichen Religiosität und des Lebensstandards eines Landes auf den Zusammenhang zwischen (Nicht-)Religiosität und Lebenszufriedenheit berücksichtigt wurde, waren schwach religiöse Menschen im Durchschnitt unzufriedener mit ihrem Leben als stark religiöse, während sich die Lebenszufriedenheit von atheistischen und anderen nicht-religiösen Personen nicht generell von der Lebenszufriedenheit stark religiöser Personen unterschied. Besonders die Lebenszufriedenheit von atheistischen Personen hing davon ab, ob sie in sehr religiösen oder in eher säkularen Gesellschaften mit vielen Gleichgesinnten lebten.
Diese Ergebnisse sprechen gegen einen universellen und linearen Zusammenhang zwischen Religiosität und Lebenszufriedenheit und dafür, dass zukünftige Untersuchungen dieses Zusammenhangs nicht nur den Glaubensinhalt (religiös vs. nicht-religiös), sondern auch die (Nicht-)Glaubensstärke von Menschen und die Eigenschaften des kulturellen Kontexts einbeziehen sollten.