Häufig wissen Menschen schon nach kurzer Zeit, ob (und wie sehr) sie sich romantisch oder sexuell zu einer anderen Person hingezogen fühlen. Dabei sind sie sich jedoch keineswegs bewusst darüber, welche herausragende kognitive Leistung es erfordert, die vielen unterschiedlichen Eigenschaften möglicher Partner integrativ zu betrachten und zu einem ganzheitlichen Urteil zusammenzufügen, welches zudem in unterschiedlichen Kontexten der Partnersuche – für eine Nacht oder für das ganze Leben – sehr unterschiedlich ausfallen kann. In bisherigen Studien wurde hauptsächlich die Attraktivität jeweils einzelner körperlicher oder charakterlicher Eigenschaften auf die Probe gestellt, während es weitestgehend unerforscht blieb, auf welche Weise solche unterschiedlichen Eigenschaften in spezifischen Kontexten interagieren.
Die ISS-Forscher Daniel Ehlebracht und Detlef Fetchenhauer widmeten sich gemeinsam mit Olga Stavrova von der Universität Tilburg und Daniel Farrelly von der Universität Worcester genau dieser Frage. Speziell wurde untersucht, ob Prosozialität und körperliche Attraktivität sich unter bestimmten Umständen gegenseitig in ihrer Wirkung verstärken können. In zwei Studien wurden Kölner Studierenden kurze Videos von niederländischen Studierenden vorgeführt, deren Attraktivität sie entweder für eine Kurzzeit- oder Langzeit-Beziehung bewerten sollten. Hierbei erhielten die Beurteiler für jede der gezeigten Personen eine randomisierte Information, wie sich die Person in einem ökonomischen Spiel verhalten habe, bei welchem sie ihren Altruismus oder ihre Vertrauenswürdigkeit unter Beweis stellen konnte. Es zeigte sich erwartungsgemäß, dass körperliche Attraktivität im kurzfristigen Kontext einen stärkeren Einfluss auf die Gesamtbewertung hatte als im langfristigen Kontext, während Prosozialität im langfristigen Kontext eine größere Rolle spielte als im kurzfristigen Kontext. Darüber hinaus zeigte sich, dass Männer ihre Präferenzen spezifischer auf den zeitlichen Kontext der Partnerwahl ausrichteten als Frauen, dass sich also der relative Einfluss von körperlicher Attraktivität und Vertrauenswürdigkeit auf die Gesamtbewertung stärker zwischen den beiden Kontexten unterschied als dies bei weiblichen Beurteilern der Fall war. Zudem konnte im langfristigen Partnerwahl-Kontext in beiden Studien beobachtet werden, dass körperliche Attraktivität und Prosozialität sich in ihrer Wirkung auf die Gesamtbewertung gegenseitig verstärkten, wenn sie gemeinsam auftraten. Dies deutet darauf hin, dass ein guter Charakter tatsächlich die Attraktivität als Langzeitpartner signifikant steigern kann – in besonderem Maße jedoch bei Menschen, die ohnehin schon körperlich attraktiv sind.