Die eine Nachbarin dreht nachts laut die Musik auf, ein anderer blockiert ständig mit seinem Wagen die Ausfahrt. In Städten vergeht kein Tag ohne Nachbarschaftskonflikte. ISS-Forscher Merlin Schaeffer und sein Kollege Joscha Legewie von der Yale University haben in einer Studie herausgefunden, dass es in Städten mit hoher ethnischer Segregation häufiger zu Streit kommt, insbesondere wenn die Grenzen zwischen zwei homogenen Gruppen nicht klar definiert sind. Zu dem Ergebnis sind sie gekommen, nachdem sie 4,7 Millionen Nachbarschaftsbeschwerden der Stadt New York ausgewertet haben.
Mit New York City wählten die beiden Wissenschaftler für ihre Studie eine Stadt mit einer vergleichsweise hohen Segregation. So gibt es etwa von Weißen bewohnte Gebiete, die vollständig von Häuserblöcken mit afro-amerikanischen Anwohner/innen umgeben sind. Zu Nachbarschaftskonflikten kommt es in diesen Gebieten vor allem dort, wo die Grenze zwischen den beiden ethnischen Gruppen unscharf verläuft. Die Zahl der Beschwerden ist hier um ca. 26 Prozent höher als in Gegenenden, in denen klare Grenzen zwischen den Gruppen existieren oder wo es aufgrund ethnischer Homogenität gar keine Grenzen gibt. Ihre Begründung: Segregation befördert ethnische Gruppenidentitäten und damit auch das Gefühl eines Territorialanspruchs, der gerade an unscharfen Grenzen für Konflikte sorgt. In gut durchmischten Städten gibt es dieses Phänomen eher nicht, denn erst das Vorhandensein von Segregation schafft die Voraussetzung für Grenzkonflikte.
Die Nachbarschaftsgrenzen definierten Schaeffer und Legewie mit Hilfe von Algorithmen zur sogenannten Kantendetektion. Solche Algorithmen kommen unter anderem bei der Entwicklung von selbstfahrenden Fahrzeugen zum Einsatz, die dadurch die Ränder von Objekten erkennen. Schaeffer und Legewie analysierten mit Hilfe solcher Algorithmen die Bevölkerungsdaten der Stadt New York und machten die Grenzverläufe zwischen ethnisch homogenen Nachbarschaftsverläufen sichtbar. Mithilfe dieser Methode konnten sie erkennen, wo die Grenzen zwischen ethnischen Gruppen scharf beziehungsweise unscharf verlaufen.
Wie häufig es in einem bestimmten Gebiet zu Nachbarschafskonflikten kommt, fanden die Wissenschaftler anhand der Anrufe heraus, die bei der New Yorker Behördenhotline 311 eingegangen sind. Vergleichbar mit dem Ordnungsamt in Deutschland nimmt diese Hotline Beschwerden von Anwohner/innen entgegen. Schaeffer und sein Kollege werteten die Ortsdaten von insgesamt 4,7 Millionen Anrufen aus, die im Jahr 2010 bei der Nummer 311 eingegangen sind. Die häufigsten Beschwerdegründe waren zugeparkte Ausfahrten, Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit, Lärmbelästigung durch Musik sowie illegale Untervermietung von Wohnraum.