Auch in Deutschland werden Partnerschaftsbiographien komplexer. Immer mehr Menschen erleben mehr als eine Beziehung und leben oft in nichtehelichen Lebensgemeinschaften. Dabei wissen wir bislang erstaunlich wenig über die Verbreitung nichtehelicher Lebensgemeinschaften (NEL) höherer Ordnung in Deutschland und deren Stabilität. Wie hoch ist also die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen und Männer in einer zweiten oder dritten NEL ihren Partner heiraten oder sich wieder trennen? In einer aktuellen Studie haben ISS-Forscherin Nicole Hiekel und ihre Kollegin Barbara Fulda Beziehungsbiographien von rund 2.500 Frauen und Männern im Alter von 35-45 Jahren ausgewertet, um diese Forschungslücke zu schließen.
Sie ermittelten erstens die Anzahl der eingegangenen NEL der Befragten. Ihre Befunde zeigen, dass die so genannte „serielle Kohabitation“, also das Erleben von mehr als einer NEL, relativ selten vorkommt. So berichten 14 von 100 Befragten, dass sie in zwei verschiedenen NEL mit einem Partner zusammengelebt haben, und 3 von 100 Befragten geben an, dass sie drei oder mehr dieser Partnerschaften eingegangen sind. Die letztgenannte Gruppe hatte zudem häufig bis zum letzten Zeitpunkt der Befragung noch nie geheiratet.
Zweitens untersuchten die Forscherinnen, wie wahrscheinlich es ist, dass NEL unterschiedlicher Ordnung in einer Ehe münden oder dass sich diese Paare trennen. Ungefähr 90% der Frauen und Männer in NEL erster und zweiter Ordnung, und 70% in NEL höherer Ordnung münden nach fünf Beziehungsjahren entweder in einer Heirat oder einer Trennung. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit zu heiraten in NEL erster und zweiter Ordnung doppelt so groß, wie die Wahrscheinlichkeit sich zu trennen. Bei Partnerschaften dritter und höherer Ordnung ist die Heiratsneigung dagegen geringer, während die Trennungswahrscheinlichkeit vergleichbar mit derjenigen von NEL erster und zweiter Ordnung ist.
Dies ist die erste Studie zu komplexen Partnerschaftsbiographien in Deutschland. Sie zeigt, dass die Ehe in der untersuchten Geburtskohorte nicht an Bedeutung verloren hat und das trotz der zunehmenden Popularität des unverheirateten Zusammenlebens.