Wie kann Integration gelingen? Die Suche nach Antworten führt in Deutschland oftmals zu den Wohnorten von Zugewanderten und ihren Nachkommen. Weitverbreitet ist die Sorge um das Entstehen von Stadtvierteln, in denen Zugewanderte weitgehend isoliert von der Mehrheitsgesellschaft leben und aufwachsen. Gleichzeitig herrscht die Hoffnung, dass räumliche Nähe zur Mehrheitsgesellschaft auch vermehrten sozialen Kontakt mit sich bringt.
Der empirische Forschungsstand hierzu vermittelt jedoch ein unklares Bild. Viele Studien finden einen deutlichen Zusammenhang zwischen räumlicher Nähe und sozialen Kontakten der Zugewanderten zur Mehrheitsgesellschaft. Andere Untersuchungen zeigen keinen starken Zusammenhang. Unklar scheint darum, für wen genau der Wohnort entscheidend bei der sozialen Integration ist und für wen nicht. Ebenso ungeklärt ist, warum diese Unterschiede existieren.
Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, untersuchte ISS-Forscher Hanno Kruse in einem kürzlich erschienenen Artikel die Freundschaftswahlen jugendlicher Zugewanderter und ihrer Nachkommen in Deutschland. Dabei kombinierte er Informationen aus dem „Children of Immigrants Longitudinal Survey in Four European Countries (CILS4EU)“ mit kleinräumigen Kontextinformationen eines Geomarketingunternehmens, wodurch eine genaue Überprüfung des Zusammenhangs von Freundschafts- und Nachbarschaftskompositionen junger Zugewanderter in Deutschland möglich wurde.
Es zeigte sich, dass der Zusammenhang zwischen Nachbarschafts- und Freundschaftszusammensetzung stark von der sozialen Herkunft der jungen Zugewanderten abhängt: Bei höherem sozialen Hintergrund führt räumliche Nähe zu Deutschen auch zu mehr Freundschaften mit ihnen. Bei niedrigem sozialen Hintergrund ist dieser Zusammenhang schwächer. Dies liegt nicht etwa daran, dass die verschiedenen sozialen Schichten in unterschiedlich starkem Ausmaß Freundschaften in ihrer direkten Nachbarschaft bilden. Stattdessen legen die Ergebnisse nahe, dass 1) Unterschiede in den Kontaktmöglichkeiten zu Deutschen verantwortlich sind: Jugendliche höherer sozialer Herkunft besuchen, unabhängig von ihrem Wohnort, grundsätzlich Schulen mit höherem Deutschenanteil. Zudem deuten die Analysen darauf hin, dass 2) Zugewanderte mit höherer sozialer Herkunft ihre Kontaktmöglichkeiten zu Deutschen eher in Freundschaften umwandeln. Zusammengefasst scheint die räumliche Nähe zur Mehrheitsgesellschaft somit tatsächlich eine notwendige Voraussetzung für eine gelungene Sozialintegration junger Zugewanderter in Deutschland zu sein. Ein Allheilmittel für alle Jugendlichen, gleich welcher sozialen Herkunft, ist sie jedoch nicht.