Gibt es eine allgemeine abschreckende Wirkung von Strafe, die junge Menschen von strafbaren Handlungen abhält? Bisherige Untersuchen scheinen dies zumindest teilweise für die Bestrafungswahrscheinlichkeit nachzuweisen, also für das von jungen Menschen wahrgenommene Risiko für eine strafbare Handlung sanktioniert zu werden. Sozialwissenschaftler erklären dies (vereinfacht) mit einem Abwägungsprozess, der die Eintrittswahrscheinlichkeit und Intensität möglicher Handlungskonsequenzen (als Kosten) sowie den durch die strafbare Handlung erlangten Vorteil (als Nutzen) berücksichtigt. Übersteigen die Kosten den Nutzen, so werden sich junge Menschen gegen die strafbare Handlung entscheiden. Demnach kann eine Erhöhung des wahrgenommenen Entdeckungs- oder Bestrafungsrisikos eine abschreckende Wirkung auf das Verhalten haben. Es ist aber noch ein umgekehrtes Phänomen beobachtbar: in der Folge der Ausübung strafbarer Handlungen lernen junge Menschen wie hoch das Risiko für eine Entdeckung oder Bestrafung tatsächlich ist. Persönliche Erfahrungen mit Kriminalität führen also zu einer realistischeren Risikoeinschätzung. Überwiegt nun aber der Abschreckungs- oder der Erfahrungseffekt?
ISS Forscher Daniel Seddig und seine Kollegen Helmut Hirtenlehner (Universität Linz) und Jost Reinecke (Universität Bielefeld) untersuchten diese Frage in einer Studie mit 1950 befragten Jugendlichen aus Duisburg. Dazu wurden dieselben Jugendlichen über mehrere Jahre hinweg zu denselben Themen befragt (Panelstudie). Die Ergebnisse der statistischen Analysen deuten auf die Dominanz von Erfahrungseffekten hin. Eine systematische Abschreckungswirkung von wahrgenommenen Sanktionierungsrisiken konnte nicht nachgewiesen werden.
Da einfache (strafbare) Handlungen sehr oft automatisch und spontan erfolgen, sollten die Erwartungen an die Wirkung von (gerichtlichen) Sanktionsandrohungen daher nicht überhöht werden. Die Studie konnte allerdings nicht ausschließen, dass unter Umständen nicht doch (kleine) Subgruppen von Menschen auf Strafdrohungen ansprechen.