Anstatt alleine am Schreibtisch über Texten zu brüten, arbeiten Wissenschaftler*innen zunehmend in großen Teams. Zudem werden Publikationen immer wichtiger für die Karieren von Forscher*innen. Diese Trends sind bereits gut auf der Ebene von wissenschaftlichen Disziplinen und nationalen Forschungsgemeinschaften erforscht. Es gibt bislang jedoch wenig Forschung darüber, wie sozialen Dynamiken wie Anerkennung und Status die wissenschaftliche Zusammenarbeit prägen – und wie sie sich über die Zeit verändern, von der Entstehung eines neuen Forschungsgegenstands bis zum etablierten Forschungsfeld. Wie verändert sich die soziale Struktur eines wissenschaftlichen Feldes? Wird die Karriere für junge Forscher*innen einfacher oder schwieriger? Wie vielen Menschen gelingt es, innerhalb des Feldes bekannt und erfolgreich zu werden?
ISS-Forscher Mark Wittek hat diese Fragen gemeinsam mit Christoph Bartenhagen und Frank Berthold vom Institut für pädiatrische Onkologie und Hämatologie der Universität zu Köln untersucht. Die Autoren schlagen eine neue Anwendung von Netzwerkmodellen zur Analyse großer Datensätze vor und untersuchen die wissenschaftlichen Kollaborationen in einem Zweig der Krebsforschung. Konkret untersuchen sie die Neuroblastom-Forschung zwischen 1975 und 2016. Diese Forschung hat sich der Untersuchung und Behandlung des Neuroblastoms verschrieben, einem häufigen Tumor im Kindesalter. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Neuroblastom-Forschung zu Beginn eine kleine Gruppe von Forschenden war, in der alle Forscher*innen ähnlich viele Kollaborationspartner*innen hatten. Als das Feld begann zu wachsen, bildete sich eine Elite von Forschenden. Sie hatten besonders häufig die Chance, an Publikationen mitzuwirken und haben überdurchschnittlich viele Kollaborationspartner*innen gewinnen können. Ein weiterer Befund ist, dass Forscher*innen mit hohem und niedrigem Status zu Beginn des Feldes relativ häufig zusammengearbeitet haben. Zunehmend haben sich jedoch geschlossene Zirkel von Autor*innen mit hohem Status gebildet. Die Autoren erklären diese Entwicklung durch die zunehmende Anzahl von Forschenden in dem Forschungsfeld. Dass sich immer mehr Forschende in der Neuroblastom-Forschung widmen können, liegt auch an der besseren Finanzierung. Doch häufig sind es die erfolgreichsten Forscher*innen, die die Förderungen einwerben, wodurch sich eine ungleiche Verteilung von Ressourcen und sozialer Anerkennung verschärfen kann. Darüber hinaus argumentieren die Autoren, dass eine höhere Anzahl von Feldteilnehmer*innen zu verstärkten Statusprozessen und damit mehr Ungleichheit in den Reputationen von Forscher*innen beiträgt.