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Schulbefragung 2011: „Lebenslagen und Risiken von Jugendlichen“

  • Leiter: Prof. Dr. Michael Wagner (Uni Köln), PD Dr. Dietrich Oberwittler (Max-Planck-Institut für internationales und ausländisches Strafrecht, Freiburg)
  • MitarbeiterInnen: Paula Gabrych, Bernd Kramer
  • Fördernde Institution: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
  • Laufzeit: ab 2011
  • Dokumentation

Beschreibung

Warum scheitern einige Schüler in der Schule und andere nicht? Warum verhalten sich einige von ihnen auffällig, bleiben dem Unterricht fern oder werden sogar straffällig? Warum fangen sich die einen nach kurzer Zeit wieder, während andere in ihrer Entwicklung dauerhaft bedroht zu seien scheinen? Diese Fragen stehen im Zentrum der Schulbefragung „Lebenslagen und Risiken von Jugendlichen“, die Soziologen der Universität zu Köln gemeinsam mit Forschern des Freiburger Max-Planck-Instituts für internationales und ausländisches Strafrecht durchführen. Das Projekt soll der Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen wie der Soziologie, Kriminologie und Pädagogik dienen: Bisher werden schulische und soziale Probleme von unterschiedlichen Fachdisziplinen mit ihren jeweils unterschiedlichen Perspektiven untersucht, obwohl vieles darauf hindeutet, dass sie zusammenhängen und sich gegenseitig verstärken können.

Für die Studie werden Daten von etwa 7000 Jugendlichen der Jahrgangsstufen 8 bis 10 erhoben. Befragt werden Schüler allgemeinbildender Schulen in Köln und Mannheim; die Befragungen finden jeweils klassenweise während des Unterrichts statt. In Köln werden dieselben Schulen befragt, die auch schon an der ersten Studie vor 12 Jahren teilgenommen hatten. Damit wird ein interessanter Zeitvergleich möglich: Wie hat sich die wachsende soziale Ungleichheit in Deutschland auf die Arbeit der Schulen, das Leben der Jugendlichen, ihre Bildungschancen und ihr Risikoverhalten ausgewirkt? Das Projekt möchte auch einen ersten deutsch-französischen Vergleich ermöglichen: In einer Kooperation mit der Universität Grenoble sollen daher auch jeweils 2500 Jugendliche in Grenoble und Lyon befragt werden.

Ein besonderer Schwerpunkt des Projektes ist die Frage, welchen Einfluss das Stadtviertel und Freundschaftsnetzwerke der Schüler auf den Bildungserfolg und abweichendes Verhalten außerhalb und innerhalb der Schule haben. Der Einfluss des Stadtviertels auf Bildungs- und Kriminalitätskarrieren von Jugendlichen wird in den USA bereits seit längerem erforscht. Neben individuellen Eigenschaften wie etwa der sozialen Herkunft kann auch die Ballung von Benachteiligungen in bestimmten Stadtvierteln eine Rolle spielen. Man spricht dabei von Kontexteffekten, die mit speziellen statistischen Verfahren untersucht werden können (Mehrebenenanalyse). Für die USA beispielsweise konnten verschiedene Studien zeigen, dass die höhere Gewaltbereitschaft nicht-weißer Jugendlicher nicht oder nicht nur auf die Armut ihrer Herkunftsfamilien zurückzuführen ist, sondern auch oder sogar ausschließlich auf die hohe Armutskonzentration in ihren Stadtvierteln. Vergleichbare Studien gibt es für Deutschland bisher kaum. Die Vorgängerbefragung 1999/2000 war die erste Studie in Europa, die Belege dafür gefunden hat, dass sich die räumliche Konzentration von sozialen Benachteiligungen in Wohnquartieren verschärfend auf delinquentes Verhalten von Jugendlichen auswirken kann.

Auch die sozialen Beziehungen eines Schülers können einen Einfluss auf dessen Entwicklung nehmen. Wichtig sind dabei neben der Eltern-Kind-Beziehung vor allem die Beziehungen unter Gleichaltrigen („Peers“). Recht gut belegt ist, dass Schüler, die sich abweichend verhalten, häufig Kontakt zu Peers haben, die ebenfalls delinquent oder verhaltensauffällig sind. Die Schulbefragung soll diesen Befund weiter vertiefen. Daher werden unter anderem die Freundschaftsnetzwerke innerhalb der Schulklasse erhoben: Welche Befragten sind miteinander befreundet? Welche Cliquen gibt es innerhalb einer Klasse? Wodurch zeichnen sich Schüler aus, die besonders beliebt sind, wodurch Schüler, die eher eine Außenseiterrolle einnehmen? Mit welchen Risiken und Chancen ist die Stellung im Klassenverband verbunden? Die Erhebung sozialer Netzwerke ermöglicht einen genaueren Blick darauf, welche Rolle Peers für die soziale und schulische Entwicklung spielen.

Die Schulbefragung knüpft damit an vergangene Arbeiten des Forschungsinstituts für Soziologie an, etwa an das DFG-Projekt „Soziale Netzwerke von leistungsschwachen und auffälligen Schülern“ (2006-2008). Auch vertiefende Analysen zum Thema Schulabsentismus sind Teil des Projektes. Das Forschungsprojekt „Verbreitung und Determinanten der Schulverweigerung in Köln“ hatte sich erstmals im deutschsprachigen Raum dem Schulschwänzen aus soziologischer Perspektive gewidmet. Dabei zeigte sich, dass Schüler aus „unvollständigen“ Familien häufiger schwänzen. Auch der Anschluss an schwänzende Peers und ein schlechtes Schüler-Lehrer-Verhältnis erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schüler dem Unterricht unerlaubt fernbleibt. Die Schulbefragung soll weitere Risikofaktoren aufdecken und so Hinweise darauf liefern, wie Jugendlichen, die in ihrer Schullaufbahn zu scheitern drohen, konkret geholfen werden kann.

Themen der Schulbefragung

Schule

  • Lernorientierung und Wirksamkeitserwartungen, Zukunftserwartungen, Schulleistungen
  • Wahrnehmungen des Klassen- und Schul-„Klimas“, Verhältnis zu Lehrern
  • dissoziales Verhalten in der Schule, Schulabsentismus

Familie

  • Familienformen, sozialer und Bildungsstatus der Eltern, Migrationshintergrund
  • soziale und emotionale Beziehung zu Eltern, elterliche Erziehungsstile, Unterstützungs-/Kontrollverhalten

Gleichaltrige und Freizeit

  • Freundschaften, soziale Netzwerke der Gleichaltrigen
  • Freizeitpräferenzen, -verhalten, Medienkonsum

Deliquenz

  • Opfererfahrungen und selbstberichtete Delinquenz
  • Selbstkontrolle, Normorientierungen; Wahrnehmung von Integration/Exklusion
  • Erfahrungen mit und Einstellungen zur Polizei (Modul „Polizei und Jugendliche“)

Wohnquartier

  • Sozialräumliche Orientierungen, Wahrnehmungen des sozialen Klimas im Wohnquartier

Stichwörter: Soziales Kapital, Familie, Sozialisation, sozialräumlicher Kontext, Bildungssoziologie, Kriminologie, abweichendes Verhalten, Schulabsentismus

Publikationen: -

Vorträge: -

Links:
Eine ausführliche Projektbeschreibung findet sich auch auf den Seiten des Max-Planck-Instituts für internationales und ausländisches Strafrecht.